Montag, 21. Oktober 2013

Mein erster Arbeitstag

Heute hat für mich das schöne und entspannte Touristen-Leben aufgehört und hatte meinen ersten Arbeitstag im Vineyard Hotel & Spa in Kapstadt. Mein Tag begann damit, dass ich mich auf eine für mich sehr ungewohnte Weise kleiden musste: Einen Bleistift-Rock, eine schwarze Strumpfhose, hohe und schwarze Schuhe (das einzige, was für mich nicht ungewöhnlich war), eine weiße Bluse und einen schwarzen Blaser. Dazu jeglichen Schmuck bis auf ein Paar Ohrring-Stecker (krass, aber bei weißer Hautfarbe sind nur silberne Steine erlaubt, bei dunkler auch braune), eine Uhr und einen unauffälligen Ring, ablegen und die Haare zurückbinden oder hochstecken. Außerdem soll transparenter Nagellack getragen werden und möglichst kein Lippenstift. Ich hatte um halb 9 einen Termin mit einer der beiden Training-Managerinnen, die ich bis zu dem Zeitpunkt auf Grund ihres Vornamens (Réne) immer für einen Mann gehalten hatte. Umso überraschter war ich als ich im Foyer des Hotels von einer jungen Frau abgeholt wurde, die ebenso pinguin-farbig gekleidet war wie ich. Mit ihr bin ich zunächst alle Formalitäten durchgegangen und sie hat mich herumgeführt. Ich hatte mir das Hotel selbstverständlich vorher ausgiebig im Internet angeguckt, war aber geschockt wie wahnsinnig groß es in der Realität ist. Steht man unmittelbar vor dem Gebäude kann man nicht mal ansatzweise erahnen, welche Dimensionen sich dahinter verbergen. Bei diesem Rundgang habe ich dann auch direkt die Hotel-Tierwelt kennengelernt: Dachse und Eichhörnchen und durfte Freundschaft mit den beiden hoteleigenen riesigen Schildkröten schließen, die im Garten leben.
Nachdem mir dann die Manager jeder Abteilung vorgestellt wurden (bei denen ich wahnsinnig glücklich bin, dass sie alle ein Namensschild tragen, da mein Namensgedächtnis wie bereits erwähnt einem Sieb gleicht), musste ich zum Fingerabdruck-Scan zur Security. Das ist kein Witz, das was in Deutschland die gute alte Stempelkarte ist, ist hier der persönliche Fingerabdruck. Diesen braucht man zum Einen, um als Angestellter in das Hotel zu gelangen und zum anderen gibt man damit an, wann man die Arbeit beginnt und wann beendet. Früher hätten sie mit Karten gearbeitet, die jedoch häufig verloren gingen oder geklaut wurden. Also was ist besser als der nicht bzw. nur mühselig entwendbare eigene Zeigefinger :-) ?!
Im Anschluss an diese dezent kriminalistisch angehauchte Aktion begann mein eigentlicher Arbeitstag. Diese Woche verbringe ich jeden Tag in einer anderen Abteilung, sodass ich das Hotel an sich besser kennen lerne, mit den Angestellten in Kontakt trete und vorallem weiß, für was und wen ich dann ab nächster Woche überhaupt Marketing mache. Meinen Tag heute habe ich im Housekeeping verbracht. Dabei wurde ich einer Dame zugeteilt, die etwa Anfang 50 war und die Kontrolle über die "Freigabe" der Zimmer hatte. Das heißt, sie (und ich heute mit ihr) haben die Zimmer kontrolliert, nachdem die Zimmermädchen sie vermeidlich gesäubert und aufgeräumt haben, um sie dann als fertig für neue bzw. gesäubert für bleibende Gäste zu titulieren. Dabei konnte ich dann auch die verschiedenen Zimmer sehen und weiß jetzt auch, wieso die Zimmerpreise derart hoch sind. Neben den sehr hellen und modernen Zimmern und den Bädern mit jeweils Dusche und Badewanne, sowie dem kostenlosen Wasch- und Bügelservice der eigenen Kleidung, ist vorallem der Blick aus dem Fenster bzw. vom Balkon der Hammer. Der Garten des Hotels (inklusive Pool) endet direkt an einem Fluß, an den wiederum unmittelbar die Berge angrenzen. Dementsprechend traumhaft und idyllisch sieht die ganze Sache auch aus.
Für jeden, der jetzt dachte: "Hinter anderen Leuten her kontrollieren und die Bude nur noch absegnen, ist doch ein Witz". -> FALSCH
Ich weiß nicht, ob das an der Arbeitseinstellung mancher Leute liegt oder daran, dass sie einen (laut meiner Begleiterin wochenlang andauernden) schlechten Tag hatten, aber wir mussten so viel nachbessern. Die Sauberkeit war gegeben und auf den ersten Blick schien alles Ok, da es sich hier aber um ein sehr perfektionistisches Hotel handelt (mit den Preisen muss es nun mal hohe Standards erfüllen), kam es auch auf die Details an. So mussten wir am häufigsten Shampoo-Flaschen austauschen, Kissen wechseln, Handtücher ansprechend zurecht legen und Schokolade nachfüllen. Ebenso musst die Fernsehzeitung immer auf dem aktuellen Tag aufgeschlagen sein und die Winkel der Zahnputz-Gläser zueinander waren festgelegt. Somit hatten wir einen riesen Berg Arbeit und ich habe nicht nur einen Streit mitbekommen zwischen der "Kontrolleurin" und den "Zimmermädchen".
Eine weitere sehr beeindruckende Begegnung hatte ich in der Wäscherei des Hotels, in der ich mich zwischenzeitlich um gucken durfte. Wie gesagt, können die Gäste ihre Kleidung zum Waschen, Trocknen und Bügeln geben und es gibt zwei Damen, die jeweils 9 Stunden am Tag, 6 Tage in der Woche und seit 14 bzw. 15 Jahren ausschließlich Klamotten bügeln.Für die Bettwäsche, Handtücher, Tischdecken der Restaurants etc. gibt es vier weitere Herren, die ausschließlich die Mangeln bedienen. Dazu je zwei, die für die Waschmaschinen und Trockner verantwortlich sind, eine Chefin der Wäscherei und einen Manager.
Wer mich etwas kennt: Ich hasse bügeln!!! Dementsprechend gigantisch ist mein Respekt für die Bügel-Damen, die nebenbei die Hemden wie im Geschäft auf Pappvorlagen auffalten und in Plastiktüten verpacken. Um mich auch zu beschäftigen, durfte ich diese Falttechnik auch mal probieren, habe aber kläglichst versagt (ein weiteres Indiz dafür, dass ich nicht zur Hausfrau tauge). Was ich aber am beeindruckendsten fand, ist die Tatsache, dass fast alle Angestellten so fröhlich waren, ständig grinsend, Witze reißend und einfach nur glücklich darüber, überhaupt einen Job zu haben und wenigsten einen (Hunger) Lohn zu verdienen. Jedenfalls war das die Antwort einer der Bügel-Damen und eines der Mangel-Herren auf meine Frage, ob ihnen der Job Spaß mache.
Außerdem habe ich heute gemerkt, wie viel Aufwand und Arbeit wirklich dahinter steckt, dass sich ein Hotelgast wohl fühlt. Ich habe mir vorher noch nie Gedanken darüber gemacht, wer meine Bettwäsche wechselt, wer sie wäscht, trocknet, bügelt, wer die Minibar auffüllt oder meine Mülleimer leert. Ab dem heutigen Tag werde ich wahrscheinlich jeden kommenden Hotelbesuch mit anderen Augen sehen und deutlich mehr genießen.
Mittags gibt es für jeden Angestellten in der Angestelltenkantine ein warmes und kostenloses Mittagessen, das zwar qualitativ nicht hoch und auch nicht besonders lecker ist (heute gab es Kartoffelpüree, gekochten Möhren, Salat und Chickenpie (Hühnchen in einem Blätterteigmantel), aber es ist lobenswert genug, dass dieser Aufwand überhaupt betrieben wird. Erstaunlich war auch, dass die Menschen bzw. sehr viele der Angestellten sehr deutlich darauf hingewiesen werden mussten, dass es zu dem an sich schon sehr üppigen Essen nur maximal zwei Scheiben Brot pro Person und nicht die von ihnen gewünschten sechs Scheiben gibt. So wohlhabend und perfekt die Gäste, das Hotel und die Angestellten nach außen wirken, um so ärmer sind sie in Wirklichkeit und umso mehr vergisst man leider auch die Klufft zwischen diesen beiden Extremen.
Nach dem Essen haben wir unsere Tour durch die Zimmer beendet. Während dem ganzen Tag habe ich so viel über diese Frau erfahren dürfen, die ich begleitet habe, dass es mir wirklich schwer viel, dass ich nur diesen einen Tag mit ihr gearbeitet habe. Sie schien so glücklich zu sein, jemandem aus ihrem Leben zu erzählen und sich bei jemandem über ihre alltäglich Probleme (im Job) auszulassen. Sie meinte, dass es unter den Zimmermädchen niemanden gibt, der nachvollziehen könnte, wie hart ihr Job eigentlich ist, denn auch wenn sie nur "ausbessert" und "perfektioniert", trägt jedoch sie die volle Verantwortung und wird unmittelbar zur Rechenschaft gezogen, wenn der Winkel zwischen den Zahnputz-Gläsern nicht stimmt. Auch ihre Lebensgeschichte war beeindruckend, da sie früher in einem Büro gearbeitet hat, dann aber sehr schwer an Krebs erkrankte und mehrere Jahre behandelt und somit arbeitsunfähig wurde. Da sie in ihrem ursprünglichen Job nach dem erfolgreichen Kampf gegen die Krankheit keine Anstellung mehr fand, musste sie im Housekeeping als Zimmermädchen anfangen. Dies sollte jedoch ursprünglich nur eine mehrwöchige "Wiederinegliederung ins Arbeitsleben" sein. Da man sie aber nach den paar Wochen nicht wieder gehen lassen wollte und sie keine anderen Perspektiven hatte, blieb sie eine Weile im Housekeeping und wurde dauerhaft darauf vertröstet im Folgemonat eine höhere Position oder Gehaltserhöhung zu bekommen, da sie für de eigentlichen Zimmermädchen- und Reinigungsjob deutlich überqualifiziert war. Die Beförderung bekam sie jedoch erst nach vielen Jahren und somit wurden aus den Wochen mittlerweile 15,5 Jahre in dem Hotel und sie kämpft jetzt darum, in den nächsten Jahren in Rente gehen zu dürfen, da sie die vielen Kilometer, die sie täglich zurücklegt, physisch nicht mehr händeln kann. Zusätzlich wurde ihr jüngster Sohn vor ein paar Jahren mit HIV infiziert, als er (und das ist eine der krassesten Sachen die ich je gehört habe) nicht, wie man annehmen könnte, ungeschützten Sex hatte. Stattdessen war er mit einer Bibelgruppe (sie selbst ist auch sehr sehr gläubig) bei einer Besichtigung einer sehr alten Kirche in Kapstadt, als mehrere Männer mit zersplitterten Glasflaschen auf sie zu gerannt sind und einen Großteil der Gruppe damit verletzt haben. So wie sie erzählt, war das größte Problem nicht, die Wunden an sich oder diese wieder zu nähen, sondern die Gefahr, dass einer der Verletzten an AIDS leidet und das Virus so ins Blut der anderen übertragen wird. Leider war dies auch der Fall und ihr Sohn lebt zum großen Teil von sehr starken, teuren und harten Medikamenten.
 Ich ziehe auf jeden Fall meinen Hut vor dieser Frau.

Als wir dann um 16 Uhr Feierabend hatten und alle brav "abgefingerabdruckt" hatten, habe ich noch ein paar Stunden im Hotelviertel verbracht, bevor ich (natürlich mit dem Minibus) zurück zum Hostel gefahren bin.
Morgen beginne ich ebenfalls um halb neun und arbeite bis 17 Uhr. Dann werde ich mich den ganzen Tag unmittelbar an der Rezeption aufhalten und in den Ablauf der Buchungen, des Ein- und Auscheckens und des Tagesgeschäfts eingeführt. Das spannendste ist, dass ich dort wieder mit vollkommen anderen Menschen zusammen arbeiten werde und ich vollkommen andere Dinge als heute erleben werde.

Das werde ich dann berichten und vielleicht gibt es auch die nächsten Tage mal ein Foto von mir als Business-Pinguin :-).

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