Samstag, 7. Dezember 2013

07.12.13

Vorgestern Abend ist Nelson Mandela mit 95 Jahren gestorben (20.50 Uhr Ortszeit).
Da er zwar auch weltweit ein Held war, Friedensnobelpreisträger, ein Idol, friedlicher Freiheitskämpfer, etc.. aber vor allem für die Menschen hier fast schon gottgleich verehrt wird, ist das besonders für die älteren und politisch sehr interessierten und engagierten Leute der absolute Trauertag schlecht hin. Um auch von unserer Seite aus dem Marketing department heraus, immerhin etwas zu machen, haben wir gestern morgen spontan beschlossen, diese Aufkleber zu drucken. Die wurden dann anschließend im ganzen Hotel (sowohl an die Mitarbeiter, als auch an die Gäste) verteilt.
Das spannende ist, dass wir am Donnerstag im Büro noch darüber gesprochen haben, ob er wohl noch "wirklich lebt" oder nur noch von Maschinen am Leben erhalten wird, um die Öffentlichkeit so lange wie möglich ruhig zu halten. Wir haben uns dann für letzteres entschieden, aber dementsprechend erstaunt waren wir dann über die Nachricht seines Todes.
Das ist der Aufkleber, den wir alle den ganzen Tag getragen haben.


Außerdem haben wir riesige Plakat angefertigt, die im Hotel eingerahmt und aufgehangen wurden:



Das war meine kurze, traurige, ernste, aber notwendige Einleitung. Jetzt aber zu meinem eigentlich Eintrag, der deutlich positiver ist. Im Anschluss an meine Berichte über meine Arbeit wird es dann aber nochmal spannender, weil ich natürlich auf dieses Thema zurück komme und viele Fotos habe, wie es in der Innenstadt vor sich ging und wie die Menschen den Abschied von Mandela gefeiert haben, aber dazu am Ende mehr.
Ich versuche hier gerade eine gewisse Logik rein zu bekommen, deshalb fange ich mal mit meinen letzten beiden Tagen ganz chronologisch an:

Also alles auf Neustart:

Hallo ins kalte Deutschland :-),

erstmal frohen Nikolaus an alle (falls man das so sagt und wenn nicht ganz einfach einen guten Tag). Ich hoffe, ihr hattet auch alle heute morgen fette volle Stiefel vor der Tür stehen.
Hier macht das übrigens nicht und der Tag ist auch nicht besonders oder so, obwohl auch hier bekannt ist, dass es der Tag des heiligen St. Nikolaus ist, waren alle sehr erstaunt, als ich erzählt habe, dass es in Deutschland Schokolade gibt und dann vollkommen verwirrt, als ich erzählt habe, dass die in Stiefel gesteckt wird :-).

Aber zu Beginn mal ein paar aktuelle Fotos zum Thema "Bauarbeiten im und am Marketing Office".
So sah es vorgestern morgen noch aus, als ich zur Arbeit kam (keine Ahnung, ob man das so gut sehen kann, aber das ist ein gigantischer Fortschritt zu meinen Fotos von Mittwoch):




















(Nur nochmal zur Erinnerung, in dieser Baustelle arbeiten wir nicht unmittelbar, aber wir sitzen direkt daneben).
Da wir aber unsere eigenen Worte nicht mehr verstehen können, das telefonieren unmöglich ist und gestern dann auch das normale Atmen nicht mehr so einfach wurde (wegen dem Staub und was die da sonst so aus den Wänden holen), werden wir in Kürze komplett umquartiert. All unser Equipment (Drucker, PCs, Unterlagen, Schreibtische, etc.) wird in einen komplett anderen Stock verlagert, in dem wir dann sowohl reden können, uns konzentrieren können, als auch atmen können ohne den halbstündlichen Hustenanfall danach.

Und hier der aktuelle Stand von Donnerstag Morgen im Bezug auf unseren "Kork christmas tree".
Später kommt dann das vollkommen vollendete Teil, damit man das auch schön vergleichen kann.






Man kann hoffentlich bereits die Richtung erkennen, in die wir mal so mehr oder weniger in etwa gehen wollen :-).

Der vorgestrige Arbeitstag (Donnerstag) war nicht so spannend, also überfliege ich den einfach mal und komme direkt zu gestern (Freitag).

Der Tag fing nämlich PRIMA an. Da endlich all meine Unterlagen angekommen sind, die ich für meine Verlängerung des Visums brauche, hatte ich mir vorgenommen, dass ich heute morgen zum "Department of home affairs" gehe, um dort meine Verlängerung zu bekommen.
Eigentlich hatte ich eine perfekt Planung: Eine Arbeitskollegin hat mir erzählt, dass die nächste Zweigstelle in Wynberg ist, was also nicht so weit von mir entfernt ist, wie die Innenstadt, in der sich die Hauptstelle befindet. Also dachte ich mir das wie folgt:

Ich stehe auf, nehme den Zug bis nach Wynberg, stelle mich in die Schlange des Department of Home Affairs (Planunggemäß wollte ich um viertel nach 7 da sein, da die um halb acht öffnen), dann hole ich mir mein Visum ab, dann nehme ich den Zug zurück, laufe die 800 Meter vom nächsten Bahnhof zur Arbeit, fange dann um halb 9 an zu arbeiten, mache meine 8,5 Stunden und kann dann gepflegt um 17 Uhr ins Wochenende starten. Toller Plan, tolle Theorie, allerdings ganz weit weg von jeglicher Realität.
Die sah nämlich so aus:
1. Die Züge nach Wynberg fuhren nicht (zu wenig Personal, weil viele plötzlich krank wurden (ich tippe darauf, dass könnte etwas mit Mandelas Tod zu tun haben) ). Also bin ich morgens um viertel nach 6 drei km gelaufen.
2. Ich kam um 7 Uhr am Department of Home Affairs an und fand eine Schlange vor mit bereits ca 40 Personen.
3. Wir haben bis viertel vor 8 gewartet, bis endlich geöffnet wurde.
4. Um viertel vor 9 war ich dann an der Reihe überhaupt erstmal meine Nummer zu ziehen (vergleichbar mit dem deutschen Verkehrsamt).
5. Als ich die Nummer ziehen wollte, wurde ich gefragt, mit welchem Anliegen ich da sei und ich habe erklärt, dass ich mein Visum verlängern möchte. Jetzt kommt der Super-Gau:
Dieses wird seit einigen Monaten nicht mehr in der Zweigstelle in Wynberg gemacht, sondern nur noch im Hauptbüro in der Innenstadt. Eigentlich sollte diese Information bereits online abrufbar sein, sie wären aber wohl noch nicht dazu gekommen. PRIMA. Die letzten sehr sehr nervenzerreißenden Stunden meines Lebens waren also umsonst.
6. Mit dem Zug zurück zur Arbeit: Der nächste Zug kam um 9:43 Uhr und wir hatten 9 Uhr.
7. Ich habe dann einen Minibus genommen, um in die Nähe des Hotels zu komme. Das Fazit daraus: 16 Personen in einem Bus für 12.
8. Am Hotel angekommen. Ich habe überlebt, ich habe zwar nichts erreicht und meine Nerven waren am Ende, aber ich war bei der Arbeit. Da ich um ca. halb 10 angekommen bin, konnte ich mich dann auch darauf einstellen bis halb 6 in diesem zur Zeit stickigen, staubigen Büro zu arbeiten, während draußen 29 Grad herrschen.

Aber ich muss zugeben, ich habe von all meinen Kolleginnen so unglaublich viel Mitleid bekommen, das ist kaum vorstellbar. Neben der echt süßen Geste, dass mir sogar ein Kaffee gebracht wurde und zum Frühstück Chips angeboten wurden (eklig, aber war nett gemeint), wurden meine Aufgaben für den Vormittag dann auch kurzer Hand gestrichen und ich wurde zusammen mit der Marketing-Assistenting zur offiziellen Weihnachtsbaum- Verantwortlichen gekürt. Unsere Aufgabe bestand dann darin, dass wir dafür sorgen, dass der Kork-Baum bis zur Abgabe um 12 Uhr Mittags fertig wird. Zwischen 12 und halb 1 kam nämlich das Bewertungkomitee (bestehend aus Ms. P. (Ms. Petousis, die älteste Inhaberin des Hotels, die immer noch täglich da ist, obwohl sie dieses Jahr ihren 92. (!) Geburtstag gefeiert hat), der Human Ressource Abteilung (Personalabteilung) und einem der Veranstaltungsmitarbeiter).
Das Problem war nur, dass unser Baum gestern Morgen um viertel vor elf immer noch genauso aussah wie Donnerstag morgen (siehe das Bild etwas weiter oben) und wir gerieten leicht in Panik als wir auf einmal feststellten, wann denn die Abgabe und Bewertung stattfindet.
Also haben Jade (die Marketing Assistentin) und ich uns umgehend an die Fertigstellung bzw. überhaupt erstmal mehr oder weniger anfängliche Arbeit gemacht.
Ich muss zugeben, es ging alles drunter und drüber, es war sehr stressig, sehr aufwendig, sehr nervenzerreißend, und wir sind mit dem Ergebnis definitiv nicht zufrieden, aber ab ca. 5 vor 12 ging es nur noch darum, irgendwie alle Korken an zu malen und irgendwie an unserer Grundkonstruktion zu befestigen. Um 12.20 waren wir dann fertig und zu unserem Glück kamen die Bewertungs-Menschen dann um exakt 12.22 Uhr!!! Ms. P.´s Kommentar war: "Der ist ja silber, das ist aber edel." (Wir haben das mal positiv interpretiert). Ein weiterer Kommentar von jemand anders war, dass unser Baum auch als Hochzeitstorte durchgehen würde :-). Aber hier erstmal die Fotos von dem schönen Ding:








Jade und ich:

Carol (unsere Managerin) und ich. Achja, ich hätte gerne Schätzungen über ihr Alter.
(Im Ernst, bitte schätzt)






Wann genau wir aber die endgültige Bewertung bekommen, wissen wir noch nicht. Wir malen uns jetzt auch keine unglaublich guten Chancen aus oder so, aber die Hoffnung stirbt ja zuletzt und dafür dass wir fast keine Zeit hatten, ist das eine schöne Torte, ähm, Baum.

Da unsere Grafikdesignerin an schwerem Asthma leidet, wurde sie nach der Begutachtung unseres Weihnachtsbaumes zwangsfreigestellt, da sie den Tag im Büro wahrscheinlich sonst nicht überlebt hätte. Unsere Managerin kam dann auf die wirklich grandiose Idee, dass sie mich ja mit in die Stadt nehmen könnte (wo sie eh hin musste), damit ich dort zum Department of Home Affairs gehen kann. So hätte ich da wenigstens hinter und müsste nicht noch Montag morgen um 7 Uhr da antanzen, bis 10 warten und im Endeffekt bis 7 Uhr abends arbeiten. Außerdem wäre bei den aktuellen Verhältnissen im Büro sowieso nicht viel bei rum gekommen. Also hat sie mich freigestellt und wir konnten um viertel vor 1 fahren.
Es war nicht ganz so einfach in die Stadt zu kommen, weil sehr viele Straßen gesperrt waren, aber dazu komme ich gleich.

Als Carrie mich dann am Department of Home Affairs abgesetzt hat, war ich zunächst sehr froh, da es keine Schlange gab und ich sofort meine Nummer ziehen konnte. Die Menschen mit ihren Nummern verteilten sich allerdings dann über drei Räume, sodass ich knapp zwei Stunden warten konnte. Als ich dann endlich an der Reihe war, musste ich mein ganzes Zeug abgeben (Antrag, Anschreiben, Rückflugticket, Kopie vom Ausweis, Bankverbindungsnachweis, etc.), durfte bezahlen und war auch schon fertig. Jetzt werde ich also nicht Anfang Januar aus dem Land geworfen, sondern kann wie geplant bis Mitte März legal hier bleiben :-).


Anschließend wollte ich dann eigentlich mit dem Zug zurück fahren, musste aber um zum Bahnhof zu kommen am Marktplatz vor der Stadthalle vorbei. Rund herum um das komplette Gebiet waren alle Straßen gesperrt und ich erfuhr sehr schnell, dass es dort eine Zeremonie zu Ehren von Nelson Mandela gibt. Also habe ich meine Heimkehr verschoben.
Die Stadthalle, die mit riesigen Banners geschmückt wurde und vor der die Menschen Blumen und andere Geschenke ablegen durften, war der Ort, an dem Mandela seine erste Rede gehalten hat, nachdem er nach

 Jahren aus dem Gefängnis in Robben Island kam.
Meine Vermieterin hatte mir auch geschrieben, dass sie kommen will, also hatte ich mir eigentlich vorgenommen, auf sie zu warten. Keine drei Minuten später lief ich aber ihrer Tochter in die Arme, die mit einer Freundin und einer Betreuerin da waren. Ich habe mich total gefreut sie wieder zu sehen und es scheint ihr sehr gut zu gehen. Auch die anderen haben mich sehr herzlich aufgenommen. Das spannende finde ich hier, dass auch wenn man Menschen erst 20 Sekunden kennt, so in alles integriert wird, dass man das Gefühl hat, mit alten sehr guten Freunden zu sprechen, die man schon Jahre kennt. Aber das nur am Rande. Jedenfalls sind wir dann in unserer kleinen Gruppe zunächst durch die Menschenmassen geirrt, haben Fotos gemacht, haben den Tänzen zu geguckt und uns dann später die Reden angehört, die auf dem gleichen Podium gehalten wurden, auf dem Mandela damals gesprochen hat.
Aber zunächst die Fotos:

Die folgenden beiden Fotos sind unmittelbar von den Straßen der Innenstadt, wo sich normalerweise tausend Menschen aufhalten (vor allem Freitagsnachmittags), aber es ist wie ausgestorben und für alle Autos, Busse etc. komplett gesperrt.




Ich befinde mich hier unmittelbar vor der Stadthalle von Kapstadt gegenüber vom Marktplatz. Wie schon erwähnt hat Mandela hier seine erste Rede in Freiheit gehalten und gestern haben Vertreter verschiedenster Religionen Reden gehalten, sowie die Bürgermeisterin, etc.
Es wurde in allen erdenklichen Sprachen und Religionen gebetet, gesungen, getanzt...











Besonders ergreifend fand ich auch, dass die Freundin der Tochter meiner Vermieterin theoretisch gar nicht mit uns reden dürfte, wenn dieser Mann, der Donnerstagabend gestorben ist, nicht gelebt hätte. Sie ist weiß (genauso wie ich), ABER ihr Vater ist coloured, also wurde sie in ihrer Geburtsurkunde als "coloured" eingetragen (auch wenn ihre Mutter und sie weiß sind, das zählt nicht, da nur nach dem Vater gegangen wurde und auch noch wird, sie ist nämlich erst Anfang zwanzig). Wenn Mandela nicht gewesen wäre, dürfte sie sich nicht auf dem Marktplatz aufhalten, geschweige denn, sich mit mir unterhalten ohne dass ihr (Gefängnis) Strafen drohen. Diese kleine Tatsache am Rande machte die ganze Sache noch emotionaler.

Natürlich haben auch sehr viele Menschen geweint und getrauert, aber das spannenste finde ich, dass die meisten gefeiert haben. Sie haben getanzt und gesungen und das Leben und die Taten von Mandela gefeiert, anstatt seinen Tod zu betrauern. Übrigens wurde nicht von Nelson Mandela gesprochen, sondern von "Tata Madiba". Madiba ist Mandelas Name in seiner Muttersprache Xhosa und Tata ist auch Xhosa und bedeutet "Vater". Die meisten Lieder und ein Teil der Reden waren ebenfalls in Xhosa oder oft in Africaan (letzteres ist zum Glück etwas ähnlich zu Niederländisch, sodass ich immer hin etwas verstehen konnte).

Das ist jetzt echt kein Witz und ich übertreibe auch nicht, aber wir hatte 29 oder 30 Grad, wir standen den ganzen Tag in der prallen Sonne und ich HATTE durchgehend Gänsehaut!!!
Man kann sich nicht vorstellen, wie ergreifend so etwas ist oder auch wie froh ich bin, dass ich ausgerechnet jetzt hier bin (das soll nicht heißen, dass Mandela unbedingt in den Monaten meines Aufenthalts hier sterben sollte), aber dass ich das hautnah mit erleben kann, ist der Wahnsinn.
Auch die Tatsache, dass mein Tag eigentlich ganz anders geendet hätte, finde ich faszinierend. Hätte ich nicht diesen miesen Start am Morgen in Wynberg gehabt und ein so nettes Team im Büro, dass mir ermöglicht hat, den Nachmittag in die Innenstadt zu gehen und wäre ich nicht genau um die Zeit zum Bahnhof gegangen, als der Aufbau stattfand, hätte ich das auch nicht mitbekommen. Stattdessen hätte ich bis halb 6 gearbeitet, wäre in den Park oder direkt nach Hause gegangen, hätte noch was mit der Brasilianerin unternommen oder DVDs geguckt und das wars. Ich hätte weder Amber (die Tochter meiner Vermieterin) wieder gesehen, noch ihre "weiße- coloured" Freundin kennen gelernt und auch nicht die ganze Feier mit bekommen. Ich möchte jetzt nicht melancholisch werden oder so, aber am Ende war der miese Start am Morgend as beste, was mit passieren konnte :-). Danke an das inkompetente und unorganisierte Home Affairs Team in Wynberg :-)>.

Wie schon gesagt, wurde sehr viel getanzt und gesungen und das habe ich natürlich auch alles festgehalten. Auf Fotos geht das nicht ganz so gut, daher habe ich auch viele Videos gemacht. Leider hat es heute morgen noch nicht geklappt, diese auch hoch zu laden, aber ich werde mein Glück heute Abend nochmal versuchen. Die sind nämlich wirklich wirklich gut und die möchte ich niemandem vorenthalten :-).



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